Leserbrief über die EU-Erweiterung vom 3.5.2004
Sehr geehrte Damen und Herren.
Sosehr ich die Verständigung der Völker durch Verträge und Zusammenschlüsse begrüße, so halte ich die überwiegend positive und tlw. euphorische Kommentierung und Berichterstattung darüber für nicht angebracht. Die Spannungen zwischen den Völkern Europas wie in den vergangenen Jahrhunderten werden dadurch zweifellos vermindert; die Reisemöglichkeiten werden dadurch unproblematischer, leider jedoch auch für Gesetzesbrecher.
Die Europaabgeordnete Frau Langenhagen schreibt, dass wir jahrelang von der Förderpolitik profitiert haben und nun billigerweise die anderen dran sind. Dass wir, wenn wir 1 € erhalten, vorher 2 € eingezahlt haben, wird nicht erwähnt. Die EU-Förderpolitik ist in tlw. unsinnige Projekte geflossen und fließt immer noch (z.B. wird der Zigarettenverbrauch bekämpft aber gleichzeitig der Tabakanbau gefördert).
Auch wird von den Politikern so getan, als wenn Deutschland der größte Nutznießer der EU sei; z.B. am 23.4. mit der Meldung, daß Deutschland mit 13 Mrd. Spitze sei bei der Subventionsverteilung aus EU-Mitteln. Dass wir aber doppelt soviel eingezahlt haben, wird tunlichst verschwiegen.
Auch die vor einigen Jahren erfolgte Aufnahme von Griechenland und Portugal in die EU ist für diese Länder natürlich eine Erfolgsstory. Was Deutschland dafür schon gezahlt hat und immer noch zahlt bleibt im Dunkeln.
Der damalige Kanzlerkandidat und jetzige Kanzler Schröder hat vor über sechs Jahren den Wählern versprochen die, Nettozahlungen gegenüber der EU abzuschaffen, seitdem hört man davon nichts mehr – im Gegenteil: Deutschland wird sich auf erhöhte Zahlungen und geringere Fördermittel einstellen müssen.
Gut 12 Tage vor dem 1. Mai merkt dann der Kanzler, dass die neuen Mitglieder mit deutschem Geld so gefördert werden, dass sie ihre Steuern senken können, so dass deutsche Kapitalgesellschaften angereizt werden, dorthin ihren Sitz zu verlegen. Dies würde er mit Subventionskürzungen bestrafen. So was regelt man vorVertragsabschluß.
Auch war zu lesen, dass die von der EU im Vorwege an die Beitrittskandidaten gezahlten Gelder tlw. nicht zweckentsprechend verwendet wurden, sondern durch Korruption und Vetternwirtschaft in dunkle Kanäle verschwanden. Wenn der Geldsegen erst richtig fließt, wird sich wohl nicht viel ändern, weil die „Kontrolle“ durch die jeweiligen Länder selbst erfolgt.
Dramatisch wird es erst werden, wenn arme Volksgruppen (z.B. aus der Slowakei und später Rumänien) ihren ständigen Wohnsitz in Deutschland nehmen und hier dann Anspruch auf soziale Leistungen haben. Aber an die Frage von sozialen Leistungen an Ausländern wagt sich offenbar keine Bundestagspartei.
Dass es dem Bürger nicht schlecht geht und er diesen Aderlass nicht merkt, liegt lediglich daran, dass das Geld nicht durch Steuern und Abgaben sondern durch Kreditaufnahme beschafft wurde. Wäre es nicht so, wären die Vorbehalte der Bevölkerung gegen die EU wesentlich ausgeprägter. Irgendwann müssen diese Schulden zurückgezahlt werden. Aber darüber sollen sich dann andere den Kopf zerbrechen!
Dass z.B. die Schweiz, auch ohne EU-Land zu sein, nicht schon längst wirtschaftlich am Stock geht, wie man es uns immer weismachen will, wenn wir nicht drin wären, zeigt, dass wir nicht immer alle Lasten auf uns nehmen müssen, damit es den anderen besser geht.
Durch die EU-Osterweiterung habe ich jedenfalls mehr Bauchgrimmen als freudige Erregung.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Kuras