Der 20. Juli 1944 und die Allierten von 2007

An: redaktion@focus.de
Cc: Peter.Hoeres@geschichte.uni-giessen.de
Betreff: Focus Nr. 39/2007 – Essay Absolutes Stillschweigen

www.focus.de/politik/deutschland/essay-absolutes-stillschweigen_aid_220778.html (untenstehend)

Die Alliierten hatten kein Interesse an einem Erfolg Stauffenbergs

Sehr geehrte Damen und Herren

Vielen Dank an Peter Hoeres für seinen Beitrag. Hier hat endlich einer unvoreingenommen und ohne Rücksicht auf political correctnes recherchiert und Ihnen gebührt mein Dank, daß sie es auch veröffentlicht haben. Das ist heutzutage nicht selbstverständlich.

Man müßte mal unter Öffnung der immer noch geheimen Akten der Alliierten untersuchen, was wohl gewesen wäre, wenn das Attentat geglückt und die Verschwörer die Regierung übernommen hätten, wenn sie denn die bedingungslose Kapitulation akzeptiert hätten, wäre m.E. der Rest der Wehrmacht in Kriegsgefangenschaft gegangen – mit den bekannten Folgen , siehe Rheinwiesen.

Der Morgenthauplan wäre umgesetzt worden mit weiteren Zig-Millionen von deutschen Opfern. So makaber es klingen mag, aber erst dem Machthunger Stalins in der unmittelbaren Nachkriegszeit haben wir es zu verdanken, daß die Alliierten sich darauf besannen, daß sie die Deutschen im Kampf gegen die UDSSR brauchten und die tödlichen Pläne nicht umsetzten. Bei einer bedingungslosen Kapitulation  im Juli 1944 hätte das ganz anders ausgesehen! Denn schließlich hat Roosevelt mit seinem grenzenlosen Vertrauen in Stalin noch bis zum 12.April 1945 gelebt.

Als logische Folge dieses Artikels wäre es auch erforderlich, daß sich Peter Hoeres auch mit dem Fall Heß beschäftigt. Als eine der Quellen wäre auch ein Beitrag interessant, der am 6.8.2004 in ntv gesendet wurde und bei Polarfilm erhältlich war. Wenn Sie diese DVD nicht haben sollten, kann ich Ihnen eine Kopie schicken.

 Manfred Kuras

FOCUS Magazin | Nr. 39 (2007)

ESSAY

„Absolutes Stillschweigen“

Montag, 24.09.2007, 00:00 · · von Peter Hoeres

Die Alliierten hatten kein Interesse an einem Erfolg Stauffenbergs

Zahlreiche Sektenbeauftragte sehen dem Start des amerikanischen Films „Valkyrie“ mit Sorge entgegen, weil das berühmte Scientology-Mitglied Tom Cruise den Hitler-Attentäter Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg spielt. Euphorisch hat dagegen der deutsche Oscar-Preisträger Florian Henckel von Donnersmarck auf das Filmprojekt reagiert. Die Verfilmung des gescheiterten Attentats vom 20. Juli 1944 durch Hollywood begreift er als Chance, Stauffenberg einem angelsächsischen Publikum endlich bekannt zu machen und „dadurch allein das Ansehen Deutschlands mehr (zu) befördern, als es zehn Fußball-Weltmeisterschaften hätten tun können“.

Tatsächlich ist der deutsche Widerstand in den USA und in Großbritannien entweder unbekannt oder nicht sonderlich gut gelitten. Schon während der vielfältigen Attentatsvorbereitungen und nach dem gescheiterten Bombenanschlag im Führerhauptquartier Wolfsschanze empfanden die Alliierten den deutschen Widerstand als unangenehm, ja geradezu als störend.

Um dies zu verstehen, muss man sich die Vorgeschichte anschauen. Nach dem Ersten Weltkrieg, für den die Alliierten das Deutsche Reich verantwortlich machten, war es weder gelungen, eine auf Recht und Gleichberechtigung gegründete neue Weltordnung zu schaffen, noch Deutschland dauerhaft aus dem Spiel der Großen herauszuhalten. Zu viele nationale und ökonomische Egoismen standen gegen beide Optionen. Das durch den harten Versailler Vertrag sich erniedrigt fühlende Deutschland setzte alles daran, die Fesseln der Nachkriegsordnung zu überwinden. Die Früchte dieses noch friedlichen Bemühens erntete freilich Hitler. Eine Wiederholung dieses Vorgangs wollten die Alliierten darum nach einem erneuten Sieg über Deutschland ein für alle Mal ausschließen. Zu dieser Überzeugung gelangten US-Präsident Franklin D. Roosevelt und sein englischer Partner Winston Churchill nach dem siegreichen deutschen Frankreichfeldzug, der die Nachkriegsordnung endgültig umkehrte. Verkündet wurde die Überzeugung, der Krieg dürfe nur in einer „bedingungslosen Kapitulation“ des Deutschen Reiches enden, auf der Konferenz von Casablanca im Januar 1943. Es war Roosevelt, der Churchill mit dieser taktisch vagen Formel überrumpelte. Stalin schloss sich ihr später an, und auch Churchill setzte zunehmend Nazis und Deutsche gleich und schenkte dem „anderen Deutschland“ keine Beachtung mehr.

Dabei hatten die deutschen Widerständler, insbesondere der 1936 zurückgetretene Leipziger Oberbürgermeister Carl Goerdeler und der Inhaber des Oppositionellen-Treffpunkts Gut Kreisau, Helmuth James Graf von Moltke, gute Kontakte nach England gepflegt und dort immer wieder die politische Unterstützung für einen Sturz des „Führers“ sondiert. Moltke führte auch Gespräche mit dem amerikanischen Geheimdienst Office of Strategic Services in Istanbul. Der spätere Verschwörer Fabian von Schlabrendorff traf 1939 Churchill, der Diplomat Adam von Trott zu Solz im selben Jahr den britischen Premierminister Chamberlain. Hans Oster vom militärischen Geheimdienst (Abwehr) verriet sogar mehrfach mit Billigung des ehemaligen Generalstabschefs Beck Geheimnisse über den Angriff auf Holland und Belgien sowie auf Dänemark und Norwegen an Großbritannien.

Als es nach zahlreichen gescheiterten Versuchen im Sommer 1944 schließlich zur Zündung einer Bombe durch Stauffenberg kam und sich das Drama des scheiternden Widerstands abspielte, das „Valkyrie“ erneut aufführen wird, wollten die führenden alliierten Politiker freilich nicht mehr viel vom Widerstand wissen. Churchill hatte schon nach dem Frankreichfeldzug „absolutes Stillschweigen“ im Hinblick auf den deutschen Widerstand angeordnet. Roosevelt unternahm politisch nichts, hoffte intern aber auf ein Scheitern des Widerstands. Das Ziel der bedingungslosen Kapitulation sollte nicht in Frage gestellt werden, über Nachkriegspläne hatte man sich mit Stalin auch noch nicht geeinigt, nur darüber, keinen Separatfrieden zu schließen.

Selbst Goerdelers und von Trotts englischer Kontaktmann und Sympathisant, der Historiker John Wheeler-Bennett, ein Vertrauter Außenminister Anthony Edens, bevorzugte nun ein Scheitern des Putsches. Ja, er begrüßte sogar die Reaktion des Hitler-Regimes, da „die Tötung von Deutschen durch Deutsche uns zukünftige Schwierigkeiten vieler Art ersparen werde“. Dass Eden, dessen Denkschrift zum 20. Juli erst 2018 zur Einsicht freigegeben wird, ähnlich dachte, bezeugt sein Abwimmeln des Bischofs von Chichester, George Bell, der sich standhaft für die deutschen Widerständler einsetzte. Churchill meinte im Unterhaus: „Die höchsten Persönlichkeiten des Reiches bringen einander um.“

Dies war auch die Sicht der Presse. Die angesehene „Times“ schrieb, die Gegner Hitlers seien keine Freunde der Alliierten, keine Anwälte der Freiheit, sondern des Militarismus, der von gleichem Übel wie der Nationalsozialismus sei. Ähnlich fielen die Reaktionen in den USA über den „Generals Plot“ aus. Letztlich übernahmen die Alliierten die Interpretation Hitlers, bei den Widerständlern habe es sich nur um eine „kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich verbrecherisch dummer Offiziere“ gehandelt.

Englische Politiker und amerikanische Geheimdienstler waren aber über die relative Breite des Widerstands durchaus informiert. Über die konkreten Geschehnisse am 20. Juli herrschte allerdings angesichts der Nachrichtenlage eher Verwirrung. Zur negativen Bewertung des Widerstands bei den Alliierten trug auch bei, dass viele seiner Repräsentanten nicht emigriert waren, sondern zunächst Karriere im Dritten Reich gemacht hatten. Umgekehrt mussten sich die Verschwörer ja nicht nur um das Ausland, sondern auch um die entscheidende Unterstützung weiterer Offiziere bemühen. Diese hing wiederum davon ab, inwiefern man alliierte Zusagen über die Zukunft Deutschlands jenseits der „bedingungslosen Kapitulation“ vorweisen konnte.

Eine vorzeitige Beendigung der NS-Diktatur durch den Widerstand hätte die Alliierten vielleicht politisch in Verlegenheit gebracht, dafür aber Millionen von Soldaten und Zivilisten das Leben gerettet.

Die Widerständler fühlten sich vom Ausland im Stich gelassen, was sie bitter beklagten. In der britischen Öffentlichkeit tauchen bis heute Anschuldigungen gegen die BBC auf, durch öffentliche Nennung von Namen einige Verschwörer ans Messer geliefert zu haben. In diesem Sinn erinnerte sich auch der mittlerweile verstorbene stellvertretende Nachrichtenchef des Deutschland-Dienstes der BBC, Maurice Latey, im Jahr 1988. Der im Krieg im British Government Information Service beschäftigte Historiker Michael Balfour widerspricht jedoch der Behauptung, dass deutsche Widerständler wegen derartiger BBC-Berichte verurteilt worden seien. Man kann freilich nicht sagen, dass dieses Thema sonderlich intensiv erforscht worden wäre, es fehlen leider auch relevante Quellen.

Allzu blauäugig hatten die „verlassenen Verschwörer“ (so der Historiker Klemens von Klemperer) auch auf vage Zusicherungen und Gesprächsangebote vertraut. Ihre Pläne einer Sicherung der deutschen Großmachtstellung zeugen von einer eigenartigen Realitätsferne, die sich vielleicht mit ihrem Glauben an sittliche Ideale und deren Überzeugungskraft erklären lässt. Henning von Tresckows Position, es gehe bei dem Attentat nur noch um das Zeugnis vor der Welt, scheint im Nachhinein realistischer.

In der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde der Widerstand kaum gewürdigt, weder von den Alliierten noch von den Deutschen, wo sich das Bild der „Verräter“ zunächst hielt. Später kam es zu einer Rehabilitierung, britischerseits nun wieder durch Wheeler-Bennett, deutscherseits mit Blick auf die Ignoranz der amerikanischen Öffentlichkeit durch den Historiker und Remigranten Hans Rothfels. Bis in die Gegenwart wird freilich wegen aus heutiger Sicht politisch nicht korrekter Nachkriegsplanungen an konservativen Ideen des Widerstands herumgekrittelt.

Angesichts dieses schwierigen Umgangs mit dem Widerstand wird auch ein bekennender ScientologeStauffenberg und seinen Gefährten kaum mehr Schaden zufügen können.

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